Jede Krise ist Produkt
einer Kommunikation
Krisen können den Fortbestand einer gewachsenen Struktur gefährden und ihr nachhaltigen Schaden zufügen. Sie erfordern eine unmittelbare Reaktion, erzeugen hohen Zeitdruck, bergen die Gefahr eines vorübergehenden Kontrollverlusts und spitzen sich unter den Augen der Öffentlichkeit oft dramatisch zu.
Krisen werden kommunikativ geschaffen. Krisen sind soziale Konstrukte, die von Beobachtern und Kommunikatoren erzeugt, aber zugleich auch beeinflusst und bewältigt werden können.
Genau darin liegt auch ihre Chance:
Effiziente und strategisch kluge Kommunikation kann Krisen abwenden oder das Ausmaß ihres Schadens begrenzen.
Was sind die Kernmerkmale
guter Krisenkommunikation?
Professionelle Kommunikatoren reagieren stets adäquat und individuell auf die besonderen Erfordernisse einer Situation. Kommunikationsstrategien in einer Krise weisen dennoch gemeinsame Merkmale auf. Nachfolgend drei wichtige Elemente effektiver Krisenkommunikation dargestellt anhand konkreter Beispiele:
1. Schnelligkeit der Reaktion
Beispiel 1:
Viel Luft um Nichts? – ALDI reagiert prompt
Bei Facebook postet ein Kunde das Foto einer leeren Flasche Wasser, die er in einem Sixpack-Träger entdeckt hat. Schnell schließt sich ein weiterer User mit seinem Kommentar an. Ihm ist das Gleiche passiert. ALDI reagiert sofort und wendet sich direkt an den FB-Nutzer. Bei der Abfüllung sei etwas schiefgegangen. Ein unkomplizierter Umtausch sei sofort möglich.
Nicht alle Antworten und Lösungen müssen in einer Krisensituation sofort vorliegen. Eine prompte Reaktion auf die Herausforderung ist aber ein absolutes Muss. An ihr zeigt sich, wer sich zuständig und verantwortlich fühlt.Ein fataler Fehler wäre: Gar nicht oder zu spät zu reagieren. Denn wer schweigt und das Problem zu ignorieren versucht, zeigt Hilflosigkeit, Inkompetenz und erzeugt damit unweigerlich einen Vertrauensverlust. Mit Schweigen wird die Deutungshoheit abgegeben. Dritte können das entstehende Vakuum sofort nutzen, um beliebige Interpretationen und Gerüchte zu verbreiten.
2. Sachlichkeit und Transparenz
Beispiel 2:
In eigener Sache – Wie der SPIEGEL den „Fall Relotius“ deutet
Kurz bevor die internationale Presse die Betrügereien über die gefälschten Reportagen des SPIEGEL-Journalisten Claas Relotius zum Thema machen konnte, nimmt das Nachrichtenmagazin die abzusehende Negativberichterstattung vorweg und recherchiert minutiös in eigener Sache. Im einleitenden Absatz zur öffentlichen Aufarbeitung des Skandals warnen die Verfasser: Möglicherweise seien auch andere Medien betrogen worden. Indem sich der SPIEGEL als eines von vielen möglichen Opfern der Täuschung darstellt, lenkt das Magazin die Kraft des zu erwartenden Vorwurfs, selbst an der Irreführung von Lesern beteiligt gewesen zu sein, wirkungsvoll von sich ab.
Anstatt zu reglementieren und zu zensieren, sollte Kritik mit den besseren Argumenten gekontert werden. Eine öffentliche Entschuldigung ist angebracht, wenn eigene Fehler einzugestehen sind. Sachverhalte sollten in keinem Fall vertuscht oder schöngeredet werden. Wer begründete kritische Posts löscht, weil das Urteil der User missfällt oder voreilig Abmahnungen verteilt, sendet Signale der Angst und schadet möglicherweise der eigenen Online-Reputation.
Klare, ehrliche Botschaften auf Augenhöhe, die sich nicht hinter Verklausulierungen verstecken oder herablassend und arrogant das Geschehen von oben herab bewerten, sind in Konfliktsituationen die Mittel der Wahl. Transparente und sachliche Mitteilungen machen deutlich, dass der Ernst einer Situation erkannt und mit Kritik konstruktiv umgegangen wird.
3. Profil durch Persönlichkeit
Beispiel 3:
Aus Angst wird Trauer – Emotionale Bilder lösen die Öffentlichkeit aus der Schockstarre
Ein Kopftuch tragend bekundet die Premierministerin Neuseelands ihr Beileid mit den Angehörigen der Opfer des Attentats auf eine Moschee in Christchurch.
Online-Reputation lebt von der Persönlichkeit individueller Menschen, die ansprechbar, authentisch und nah und eben nicht anonym sind.Wer begründete kritische Posts löscht, weil das Urteil der User missfällt oder voreilig Abmahnungen verteilt, sendet Signale der Angst und schadet möglicherweise der eigenen Online-Reputation.
Konflikte werden schnell sachlicher ausgetragen, wenn Menschen direkt miteinander kommunizieren.
Ist Kritik offensichtlich ungerechtfertigt, ist es daher am besten, sich direkt an den User wenden, und den Kontakt suchen. Ansichten und Analysen seitens des Unternehmens sollten immer unter Angabe eines Klarnamens und/oder genauer Nennung einer Funktion im Unternehmen veröffentlicht werden. Je nach Eskalationsstufe einer Krise ist es unabdingbar, dass der Geschäftsführung persönlich das Wort ergreift und mit der eigenen Autorität deutlich macht, welche Relevanz die „Chefsache“ für ein Unternehmen hat.
Statt auf abstrakte Zahlen auszuweichen und auf trockene Studien und Statistiken zu verweisen, besiegen Botschaften mit starken, positiven Emotionen voller Empathie ganz unmittelbar Zweifel, aufkommende Angst und Verunsicherung.
Gute Krisenkommunikation verwendet daher starke Bilder, formuliert griffige Positivbotschaften und überzeugt mit starken Argumenten und hilfreichen Informationen.
Wodurch lässt sich eine gute
Krisenkommunikation erreichen?
Wer Mitarbeiter auf den Krisenfall vorbereitet und ihre kommunikativen und technischen Fähigkeiten im sachlichen Umgang mit Kritik in Kommunikationstrainings fördert, stärkt ihre mediale und mentale Kompetenz gleichermaßen.
Trainings und Simulationen können durch Krisenszenarien das Geschehen vorwegnehmen, einen möglichen Eintrittszeitpunkt der Krise prognostizieren und ein effizientes Gegensteuern in der Krisensituation ermöglichen. Sie orientieren sich an bekannten, wahrscheinlichen Gefahrensituationen oder in der Vergangenheit eingetretenen Schadenereignissen.
In einer akuten Belastungssituation schleichen sich dann weniger Fehler ein und auch unter Stress werden die richtigen Entscheidungen getroffen.
Sensibilisierung durch
Workshops und Seminare
Mitarbeiter eines Unternehmens müssen sich den Gefahren eines unbedachten Postings oder Beitrags in den sozialen Medien bewusst sein.
Sie sollten in einen Austausch über Chancen, Risiken und die Definition von Werten im Umgang mit der digitalen Öffentlichkeit eingebunden werden, die notwendigen Kompetenzen im Umgang mit den sozialen Medien mitbringen und wissen, dass Kritik zuerst immer bei einem intern dafür designierten Ansprechpartner geäußert werden sollte.
Richtlinien, aus denen klar hervorgeht, was und was nicht öffentlich kommuniziert werden sollte, stärken das Rückgrat des Unternehmens.
Mitarbeiter, die als Markenbotschafter den Backbone des Reputation Management stellen, sind im Krisenfall von unbezahlbarem Wert. Idealerweise stehen sie wie menschliche Schutzschilde vor dem Unternehmen, anstatt ins Fettnäpfchen zu treten und unbeabsichtigt hausgemachte Krisen auslösen.
Proaktive Kommunikation
mit der eigenen Zielgruppe
Vertrauen, das in krisenfesten Zeiten aufgebaut wird, ist das Fundament auf dem User zu Befürwortern und Unterstützern werden– auch in einer Krisensituation. Wer sich nur mit Dementi oder Richtigstellungen an die Öffentlichkeit richtet, isoliert sich in der Defensive und kann keine Meinungsführerschaft ausbauen.
Starke Präsenz auf den prominenten Plattformen wie Instagram, Twitter, Facebook sowie dem firmeneigenen Blog ist notwendig, um ein eigenes Netzwerk aus Followern und Fans an sich zu binden, die im Ernstfall die eigene Message transportieren und teilen.
Besitzt ein Influencer eine höhere Reichweite als das eigene Unternehmen, ist es schwierig, im Krisenfall effektiv gegensteuern zu können. Wer gute und verlässliche Kontakte zu Pressevertretern oder Influencern besitzt, kann in einer Krise die eigenen Botschaften gezielt durch seine Fürsprecher multiplizieren.